Bürgerinfo - Stadt Forst (Lausitz)
Beschlussvorschlag:
1. Das Bürgerbegehren wird gemäß § 20 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg (GO Bbg) für unzulässig erklärt. Den Bürgern wird die Angelegenheit nicht zur Abstimmung (Bürgerentscheid) vorgelegt.
2. Der Bürgermeister wird durch die Stadtverordnetenversammlung beauftragt, den Personen, die als Vertreter des Bürgerbegehrens aufgetreten sind, die Entscheidung bekannt zu geben.
Erläuterungen:
Am 05.08.2008 wurde durch Vertrauensperson Frau Cornelia Janisch, die stellvertretenden Vertrauenspersonen Herrn Ingo Paeschke, Herrn Heinz-Peter Bischoff und Herrn Horst Beier die Einleitung eines Bürgerbegehrens nach § 20 GO Bbg zur Durchführung eines Bürgerentscheides mit dem Ziel der Aufhebung des SVV- Beschlusses Nr. BVV 1124/2008 vom 04.07.2008 angezeigt. Der SVV- Beschluss Nr. BVV 1124/2008 wurde im Amtsblatt für die Stadt Forst (Lausitz) – Rathausfenster – Nr. 4/2008 vom 18.07.2008 auf der Seite 14 öffentlich bekannt gemacht.
Zur Einleitung eines Bürgerentscheides bedarf es nach § 20 Abs. 1 Satz 5 GO Bbg eines Bürgerbegehrens, welches von mindestens 10 v.H. der Bürger unterzeichnet sein muss. Abstimmungsberechtigt sind die Bürger der Gemeinde, somit also die nach § 13 Abs. 2 GO Bbg wahlberechtigten Personen. Dazu gehören nach § 8 Nr. 1 BbgKWahlG auch die Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedslands der Europäischen Union, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und im Wahlgebiet ihren Wohnsitz haben.
Mit der Unterzeichnung des Bürgerbegehrens wurde am 05.08.08 begonnen. Maßgeblicher Stichtag für die Feststellung der notwendigen Zahl der Bürger ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 4 GO Bbg die Frist von 6 Wochen ab öffentlicher Bekanntmachung des Beschlusses der SVV Nr. BVV 1124/2008. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt für die Stadt Forst (Lausitz) – Rathausfenster – Nr. 4/2008 vom 18.07.2008 auf der Seite 14. Somit läuft die Frist von 6 Wochen ab dem 18.07.2008 bis zum 29.08.2008. Gem. § 20 Abs. 1 GO Bbg wurde das Bürgerbegehren am 27.08.2008 fristgerecht (Fristablauf: 29.08.2008) schriftlich bei der Wahlleiterin eingereicht. Es wurden insgesamt 112 Unterschriftslisten mit 2.393 Eintragungen übergeben.
Das Bürgerbegehren wurde gemäß § 81 Abs. 6 BbgKWahlG unverzüglich von der Wahlleiterin geprüft. Die Wahlleiterin hat das folgende Ergebnis ermittelt:
1. Anzahl der abstimmungsberechtigten Bürger am 27.08.2008 = 18.274
2. Mindestzahl der berechtigten Unterzeichner (10 v.H) = 1.828
3. Listen insgesamt = 112 davon gültig = 112
4. Eintragungen insgesamt = 2.393
5. Gültige Eintragungen = 2.249
6. Ungültige Eintragungen = 144 davon ungültige Eintragungen wegen a) falsche Angaben = 52 b) fehlende Angaben = 38 c) kein Wohnsitz = 23 d) kein Hauptwohnsitz = 7 e) Mehrfachunterschriften = 8 f) Staatsangehörigkeit = 4 g) unleserlich = 9 h) Wahlalter nicht erreicht = 3
Es ist festzustellen, dass das Bürgerbegehren insgesamt 2.249 gültige Eintragungen enthält (12,3 v.H. der Bürger). Somit sind die Voraussetzungen zur Durchführung eines Bürgerentscheides bezüglich der notwendigen Anzahl der Unterschriften gem. § 20 Abs. 1 Satz 6 GO Bbg gegeben.
Neben der notwendigen Anzahl der Unterschriften müssen jedoch weitere Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens vorliegen (vgl. § 20 Abs. 1 und Abs. 3 GO Bbg). Die Gemeindevertretung hat über diese Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 20 Abs. 2 GO Bbg originär zu entscheiden.
Das Bürgerbegehren nach § 20 Abs. 2 GO Bbg ist trotz der notwendigen Anzahl der Unterschriften jedoch aus verschiedensten Gründen unzulässig:
1. Unzulässigkeit wegen Eingriffs in das bestehende Haushaltssicherungskonzept und damit in die Haushaltssatzung 2008 (§ 20 Absatz 3 GO i.V.m. § 76 Abs. 2 letzter Satz GO Bbg)
Das Bürgerbegehren ist aufgrund der Einschlägigkeit des § 20 Abs. 3 lit. d) GO Bbg und damit des Unterfallens unter den im § 20 Abs. 3 GO Bbg enthaltenen Negativkatalog von Fragen, die nicht durch ein Bürgerbegehren geregelt werden dürfen, bereits unzulässig. Zu den Bestandteilen, welche eine Haushaltssatzung beinhaltet, gehört unter bestimmten Umständen ein Haushaltssicherungskonzept (vgl. § 76 Abs. 2 letzter Satz GO Bbg). Die Stadt Forst (Lausitz) kann eine genehmigungsfähige und damit wirksame Haushaltssatzung schon seit mehreren Jahren nur durch ein gleichzeitig beschlossenes Haushaltssicherungskonzept erhalten. Damit muss die Stadt Forst (Lausitz) strikt auf die Einhaltung dieses Haushaltssicherungskonzeptes und damit auch auf eine sparsame Haushaltsführung achten, was u.a. die Erlangung von maximal möglichen Einnahmen bzw. Reduzierung von Ausgaben mit einschließt. Inbegriffen sind hier auf jeden Fall die Vermeidung von zusätzlichen finanziellen Aufwendungen.
Inhalt des Haushaltssicherungskonzeptes 2008 ist auch die Einnahmeerzielung aus dem Verkauf von Vermögen (u.a. Beteiligung an städtischen Gesellschaften), um damit auch in absehbarer Zeit einen ausgeglichenen Haushalt zu erzielen. Die mit dem Bürgerbegehren zu treffende Entscheidung zielt jedoch darauf ab, dass letztlich ein Erlös aus dem Verkauf des Geschäftsanteils an der Stadtwerke Forst GmbH nicht erzielt werden soll. Zudem könnte eine Entscheidung zur Aufhebung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung in Bezug auf den Verkauf des Geschäftsanteils an der Stadtwerke Forst GmbH auch dazu führen, dass für die Stadt Forst (Lausitz) weitere Kostenrisiken bestehen bleiben (so z.B. die Finanzierung von Gesellschaftereinlagen, der Ausfall der Konzessionsabgabe bzw. die Erstattungspflicht der selbigen für bisher gezahlte und die Haftung der Stadt Forst (Lausitz) für die Stadtwerke Forst GmbH aus Ausfallbürgschaften) oder u.U. die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch den Erwerber aus der unterstellten Vertragsaufhebung im Raume steht, da ja die Veräußerung bereits durch die notariell beurkundete Annahmeerklärung vom 07.07.2008 wirksam geworden ist.
Somit wäre also die Aufhebung des Beschlusses zur Veräußerung der Anteile an der Stadtwerke Forst GmbH ein Eingriff in die Haushaltssatzung der Stadt Forst (Lausitz), was bereits zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens führt.
2. Unzulässigkeit wegen Fehlens eines Regelungscharakters aufgrund des Vollzuges des Beschlusses der SVV
Dem Bürgerbegehren fehlt der notwendige Regelungscharakter. Mit dem Bürgerbegehren wird die Aufhebung des Stadtverordnetenbeschlusses vom 04.07.2008 angestrebt. In diesem Beschluss wird der Bürgermeister ermächtigt und beauftragt, das Angebot der GASAG Berliner Gaswerke AG an die Stadt Forst (Lausitz) zum Erwerb von 74,9 % der Geschäftsanteile der Stadtwerke Forst GmbH vom 30. Mai 2008 anzunehmen. Diese Ermächtigung zeigte nur so lange Wirkung, bis von ihr Gebrauch gemacht wird. Nachdem die Stadt Forst (Lausitz) die Vertragsangebote der GASAG Berliner Gaswerke AG am 07.07.2008 angenommen hat, ist der Ermächtigung keine Rechtswirkung mehr für die Zukunft zugekommen. Entfalte der Stadtverordnetenbeschluss vom 04.07.2008 also seit dem Zeitpunkt der Vertragsannahme keine Wirkung mehr, kann er ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr aufgehoben werden. Ein solches Aufhebungsbegehren geht ins Leere mit der Folge, dass einem darauf gerichteten Bürgerbegehren der notwendige Regelungscharakter fehlt. Insoweit wird auf diverse Entscheidungen, so des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.01.2007 – 7 K 4161/0 und des Verwaltungsgerichts Minden, Urteil vom 16.07.2002 – 3 K 138/02, verwiesen (vgl. auch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen, 5. Auflage, S. 9, unter www.im.nrw.de abrufbar).
3. Unzulässigkeit mangels ausreichendem Kostendeckungsvorschlag
Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen die Veräußerung von gemeindlichen Anteilen einer GmbH, die ein defizitäres Unternehmen betreibt, muss entweder der Kostendeckungsvorschlag aufzeigen, wie die Defizite der GmbH als durch den Verzicht auf die Veräußerung bewirkte mögliche Kosten für den gemeindlichen Gesellschafter abgedeckt werden sollen, oder aber die Hinnahme einer möglichen Insolvenz der GmbH in der Begründung deutlich gemacht werden. Beides ist nicht geschehen.
Ein ordnungsgemäßer Kostendeckungsvorschlag für das Bürgerbegehren muss den Fall beleuchten, dass die Stadt den Geschäftsanteil an der Stadtwerke Forst GmbH behält. In diesem Fall sind umfängliche Gesellschaftereinlagen der Stadt Forst (Lausitz) zur Abwendung einer in Aussicht stehenden Insolvenz der Stadtwerke erforderlich. Im Ergebnis einer Unternehmensfortführungsprognose bei Beibehaltung des Status Quo besteht dieses Insolvenzrisiko. Im Insolvenzfall droht u.a. die Inanspruchnahme der Kommunalbürgschaften. Die Finanzierung von entsprechenden Einlagen bzw. der Inanspruchnahme der Kommunalbürgschaften wäre im Kostendeckungsvorschlag darzulegen. Dies erfolgte nicht. Dass der angestrebte Beschluss “nicht zu Mehrausgaben im Haushaltsplan” führt, ist vor dem Hintergrund des Vorgesagten nicht richtig. Eine Sanierung der Stadtwerke ohne Zuführung neuer Mittel ist nach den durchgeführten Untersuchungen nicht möglich (Gesellschafterbeitrag). Im Text des Bürgerbegehrens wird behauptet, dass “der vorgesehene Verkaufspreis für 74,9 % der Anteile an den Stadtwerken … in keinem realen Verhältnis zu den tatsächlichen Vermögenswerten der Stadtwerke Forst GmbH … stehe.” Dem “angestrebten Verkaufserlös” stehe ein “materieller Vermögensverlust” gegenüber. Diese Betrachtungsweise wird der Pflicht, einen Kostendeckungsvorschlag zu unterbreiten, indessen nicht gerecht. Der Kostendeckungsvorschlag hat zwingend die erforderliche Liquidität zur Umsetzung des Bürgerentscheides zu erläutern. Die Vermögensbetrachtung – die im Übrigen unzutreffend ist – genügt hier in keinem Fall. Insoweit wird auf die einschlägige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20.11.2007 - 1 L 1909/07 -, der durch Beschluss des OVG NRW vom 21.11.2007 - zu Az: 15 B 1879/97 - bestätigt wurde, verwiesen.
Zudem ist es unverständlich, dass unter dem Kostendeckungsvorschlag ein möglicher Verkaufserlös angeführt wird.
4. Unzulässigkeit der Rückgängigmachung von Stadtverordnetenbeschlüssen
Im Übrigen muss bei einem gegen einen Gemeindevertretungsbeschluss gerichteten Bürgerbegehren das Bürgerbegehren in Hinblick auf § 20 Abs. 5 GO BB (Wirkung des Bürgerentscheids als endgültiger Beschluss der Gemeindevertretung) auf Ersetzung des Gemeindevertretungsbeschlusses gerichtet sein, nicht etwa auf dessen Rückgängigmachung.
5. Unzulässigkeit wegen unrichtiger Begründung
Ein Bürgerbegehren ist unzulässig, wenn tragende Elemente seiner Begründung unrichtig sind. Die Begründung dient dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären. Diese Funktion erfüllt die Begründung nur, wenn die dargestellten Tatsachen zutreffen. Im vorliegenden Fall begründen die Initiatoren das Bürgerbegehren damit, dass der vorgesehene Verkaufspreis für 74,9 % der Anteile der Stadtwerke in keinem realen Verhältnis zu den tatsächlichen Vermögenswerten der Stadtwerke Forst GmbH steht. Nach dem Verkehrswertgutachten vom 02.07.2008 beträgt der Unternehmenswert 0 Euro. Damit ist die in der Begründung angegebene Aussage unzutreffend.
Die von den Initiatoren dargestellten Ziele der Daseinsvorsorge sind auf Grund vorliegender gesetzlicher Regelungen auch für Stadtwerke mit privater Mehrheitsbeteiligung gültig. Auch in dieser Hinsicht ist die Begründung unrichtig.
Ergebnis:
Aus vorgenannten Gründen ist das Bürgerbegehren gem. § 20 Abs. 2 GO Bbg durch die Gemeindevertretung für unzulässig zu erklären. Den Bürgern wird die Angelegenheit nicht zur Abstimmung (Bürgerentscheid) vorgelegt.
Der Bürgermeister wird durch die Stadtverordnetenversammlung beauftragt, den Personen, die als Vertreter des Bürgerbegehrens aufgetreten sind, die Entscheidung bekannt zu machen.
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